Was ist Empathie?
Empathie ist eine Fähigkeit, die
alle Menschen besitzen. Worin sie sich unterscheiden, ist die jeweilige
Ausprägung7. Bereits ab dem zweiten Lebensjahr ist es uns möglich,
Gefühle anderer nachzuempfinden8. Im späteren Verlauf der Kindheit
lernen wir, dass unterschiedliche Menschen, verschiedene Wissensstände haben –
ebenso auf die empathischen Fähigkeiten bezogen9.
Empathie könnte man als
unsichtbares Bindeglied zwischen Personen beschreiben – im Unternehmenskontext:
zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden10. Man definiert
Empathie als „die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen,
Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen,
zu verstehen und nachzuempfinden“11. Dazu gehört also auch die
Fähigkeit, sich regelmäßig nach der Gefühlslage des Gegenübers zu erkundigen
und gegebenenfalls Hilfe anzubieten12.
In Unternehmen sollte selbstverständlich
ein gewisses Level an Professionalität gewahrt werden, wenn es um interhierarchische
Beziehungen geht. Wichtig ist hier die Differenzierung von Verstehen und Verständnis13.
Beim Verstehen kann nachvollzogen werden, wieso auf die eine Art und Weise
gedacht und gehandelt wird oder wurde – man nennt es das individuell-psychologische
Einfühlen14. Das Verständnis wiederum beschreibt eine persönliche
Bewertung des jeweiligen Verhaltens15– Akzeptanz oder Ablehnung.
Führungskräfte müssen auf empathischer Ebene das Handeln ihrer Mitarbeitenden
verstehen können, um einen Perspektivwechsel anstreben zu können, sie müssen jedoch
kein Verständnis dafür aufbringen, da ihnen eine persönliche Bewertung unter
Umständen nicht zusteht.
Es lässt sich jedoch sagen, dass
wir unser empathisches Potenzial meist nicht gänzlich ausschöpfen16.
Wir unterstellen anderen die eigene Meinung; wir schreiben ihnen Absichten zu,
für die es kaum bis keine Anhaltspunkte gibt. Insbesondere bei virtueller
Kommunikation kann es hier schnell kritisch werden, denn die Einschätzung
anderer erschwert sich mit der Distanz. Die unmittelbare und ungefilterte Mimik
und Gestiken fehlen (aufgrund von bspw. technischen Verzögerungen); die
Bildschirmauflösung schluckt Teile der Mikroreaktionen; die Stimme ist leicht
verzerrt. Insbesondere letzteres erschwert ein Einschätzen der anderen. Unsere
Stimme trägt einen immensen emotionalen Anteil und bereits kleinste
Veränderungen der Betonung können einiges über die Gefühlslage unseres
Gegenübers verraten. Durch virtuelle Kommunikation kann die Reaktion anderer also
schlechter abgelesen und interpretiert werden – Führungskräfte müssen sich dessen
bewusst sein.
Was ist virtuelle Empathie?
Insbesondere der Sozialpsychologe
Hans-Peter Erb hat sich zum Thema virtuelle Empathie geäußert17. Er
sagt, virtuelle Empathie gelingt am besten, wenn man schon eine Basis in
Persona zueinander aufbauen konnte18. War man bereits vor der
Telearbeit ein homogenes Team, so gelingt die Umstellung auf virtuelle
Zusammenarbeit und Kommunikation um einiges besser.
Schwierig wird es für
Neueinsteiger, die keinerlei persönliche Relation zu den Mitarbeitenden haben
und alle ausschließlich digital kennenlernen. Um virtuelle Empathie aufbauen zu
können, sollte man sich also bewusst werden, dass die eigene Realität und das
eigene Empfinden subjektiv und nicht objektiv auf alle anderen übertragbar sind19.
Man sollte anderen Verständnis entgegen bringen, denn klar ist, empathische
Menschen sind sympathischer20.
Was braucht man für virtuelle Empathie? 21
Die klassischen Voraussetzungen
für virtuelle Empathie sind natürlich vorerst die richtigen technischen
Hilfsmittel zur digitalen Kommunikation (angemessene Homeoffice Ausstattung, professioneller
Kommunikationskanal, stabile Internetverbindung etc.). Außerdem muss man sich bewusst
sein, dass der einzige Träger der Botschaft bei digitaler Kommunikation die
Stimme ist. Denn Körpersprache ist nicht als äquivalent zur analogen Version
anzusehen – obwohl sie auch virtuell von Bedeutung ist. Weiterhin ist eine
positive Fehler- und Feedbackkultur hilfreich, da sie den Mitarbeitenden die Angst
vor Meinungsäußerung nimmt22 – welche eindeutig größer ist, wenn man
sich nicht persönlich gegenübersteht.
Klar ist auf jeden Fall: Je mehr
positive Erfahrungen mit virtueller Empathie und digitaler Kommunikation
gemacht werden, desto vermehrt werden diese Praktiken zukünftig eingesetzt und
desto höher ist die Möglichkeit der nachhaltigen Nutzung digitaler Technologien
im wirtschaftlichen Kontext23.
Wie funktioniert virtuelle Empathie im Unternehmen?
Für Führungskräfte ist es
wichtig, sich Zeit für ihre Mitarbeitenden zu nehmen. Denn, wer kennt es nicht?
Je mehr Trubel im Unternehmen herrscht, desto weniger bekommt man die
Vorgesetzten zu Gesicht24. Analog kann dies meist ziemlich nervig
sein; digital kann es sogar problematisch werden25. Wenn Mitarbeitende
sich während der Telearbeit allein gelassen fühlen, kommt das Gefühl des
Abgeschnittenseins meist einher – die Einsamkeit. Und diese ist bekanntlich
privat sowie beruflich unser größter Feind, denn sie raubt uns jegliche
Motivation.
Führungskräfte sollten sich also
insbesondere bei der Telearbeit regelmäßig nach der Gefühlslage ihrer
Mitarbeitenden erkundigen und dabei verstärkt auf Gestik und Mimik achten, denn
diese sind das ehrlichste Feedback26. Insbesondere Mikroreaktionen
der Mimik kommen meist unkontrolliert und unmittelbar als Rückmeldung auf Gesagtes.
Solche Reaktionen sind aussagekräftiger als mündliche Rückmeldungen, da
speziell bei hierarchischen Unterschieden, oft auf direktes und gesprochenes negativ-Feedback
verzichtet wird. Jedoch muss man sich auch bewusst werden, dass keine
Rückmeldung nicht unbedingt automatisch etwas Schlechtes zu bedeuten hat,
sondern auch an der Nachdenklichkeit des Gegenübers liegen kann27.